„Wir wollen nicht wegschauen!"

Geschrieben von Steffen Baumann.

Eine besondere Auszeichnung wurde den Schülern des Wahlfachs „Politik und Zeitgeschichte“ der Staatlichen Realschule Marktheidenfeld zuteil. Der Beitrag „Wir wollen nicht wegschauen! Realschüler unterstützen die Verlegung von Stolpersteinen“ wurde von der Jury des Schülerlandeswettbewerbs Erinnerungszeichen mit einem Sonderpreis in der Kategorie Realschulen gewürdigt. Das ansehnliche Preisgeld wurde von der Bayerischen Volksstiftung zur Verfügung gestellt.

Motivation für die Arbeit an einem Beitrag war die Ankündigung von Bürgermeister Thomas Stamm, Stolpersteine für die 1942 deportierten jüdischen Mitbürger aus Marktheidenfeld zu verlegen. Das Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ bot darüber hinaus interessante Anregungen, um „auf den Spuren jüdischen Lebens in Bayern“ zu forschen, wie der Wettbewerb 2021/22 überschrieben war.
Wichtige Grundlagen für die Recherchearbeit waren die zahlreichen Veröffentlichungen von Dr. Leonhard Scherg und Martin Harth, vor allem deren gemeinsames Buch „Juden im Landkreis Marktheidenfeld“, das 1993 vom Historischen Verein herausgegeben wurde. Die Einzelschicksale der deportierten oder emigrierten jüdischen Mitbewohner konnten damit anschaulich nachvollzogen werden. Eine gute Quellenlage ermöglichte auch einen Einblick zum „Exodus“ der insgesamt 852 unterfränkischen Juden am 25. April 1942 durch Würzburg zum Bahnhof Aumühle. Nach aktuellem Forschungsstand erfolgte von hier aus der Weitertransport in das Transitghetto Krasniczyn und schließlich zum Vernichtungslager Sobibor.
Neben der Recherchearbeit im Wahlfachunterricht besuchten die Schüler zusammen mit ihrem betreuenden Lehrer Steffen Baumann auch das Mahnmal oberhalb von Marktheidenfeld, auf dessen Gedenktafeln sich die Namen der ehemaligen jüdischen Mitbürger befinden. Im Vorfeld der Verlegung erkundete die Schülergruppe darüber hinaus die Straßen und Häuser, an denen nun Stolpersteine an deren Schicksal erinnern.
Höhepunkt der Arbeit war schließlich die Verlegung am 11. März 2022 selbst, bei der die Wahlfachschüler in der Untertorstraße 12 an das Schicksal von Bernhard, Getta und Klothilde Freimark erinnerten. Besonders beeindruckte die Schüler hierbei die Begegnung mit Stolperstein-Initiator Gunter Demnig.
Am Ende des Beitrags fassten die Schüler ihre persönlichen Eindrücke zusammen. „Für mich war der Wettbewerb eine Möglichkeit, mich mit der Geschichte Marktheidenfelds und der dort lebenden Juden auseinanderzusetzen. Es ist ein prägendes Gefühl, wenn man die tragischen Schicksale von Mitmenschen erfährt, die vielleicht vor Jahrzehnten durch die gleichen Straßen liefen“, bilanziert Zehntklässler Daniel. „Dieses Thema scheint durch Schulbücher fern vom Alltag, doch die Beschäftigung damit zeigte, dass sich die Geschichte nicht in weiter Ferne ereignete, sondern so gut wie vor meiner Haustür“ ergänzt sein Klassenkamerad Athanasios.
Der Preisverleihung im Senatssaal des Bayerischen Landtags ging eine Podiumsdiskussion voraus. Landtagsvizepräsident Karl Freller, Staatsminister Michael Piazolo und der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, würdigten die zahlreichen Beiträge aller Schularten zur Thematik und appellierten gleichzeitig an die Wachsamkeit gegenüber der immer wieder aufkommenden Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft.
„Der Antisemit ist einfach dumm“ fasste Ludwig Spaenle mit deutlichen Worten die Ängste vor dem Fremden und Andersartigen zusammen. Kultusminister Michael Piazolo freute sich besonders, dass trotz der erschwerten Umstände durch die Pandemie auch in diesem Schuljahr so viele Wettbewerbsbeiträge eingereicht worden seien: „Mit Eurer Teilnahme am Wettbewerb ‚Erinnerungszeichen‘ wart Ihr auch Teil dieses Festjahres und habt dabei mitgeholfen, jüdisches Leben in Bayern sichtbar zu machen.“
Als stellvertretender Gastgeber im Maximilianeum betonte Landtagsvizepräsident Karl Freller: „Mit ihren Arbeiten stärken die jungen Leute das Bewusstsein, dass jüdische Menschen in allen Bereichen (...) Herausragendes geleistet und unser Land maßgeblich mitgeprägt haben.“
Die Urkunden an die Schüler Constantin Betz, Daniel Lukacs, Athanasios Nikou, Collin Roth und Elias Völker bilden eine besondere Würdigung im Abschlusszeugnis, das alle in Kürze überreicht bekommen.

Fotos: Staatsministerium für Unterricht und Kultus StMUK, Andreas Gebert

Die Preisträger bei der Verleihung, (v.l.n.r.) Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Collin Roth, Athanasios Nikou, Daniel Lukacs, Constantin Betz, Elias Völker, StR (RS) Steffen Baumann, Seminarrektor (SemR) und ZFL Christian Fritsche

(v.l.n.r.) Ludwig Spaenle, Karl Freller, Michael Piazolo